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Illustre Gäste bei den SparkassenGesprächen

„Was der Sport längst geschafft hat, muss unsere Gesellschaft noch erreichen: eine echte Einheit.“ - Olympiasiegerinnen Heike Henkel und Heike Drechsler zu Gast bei den SparkassenGesprächen 2025 in Heinsberg

„Der Sport ist uns in vielerlei Hinsicht voraus – er hat längst vorgemacht, wie Einheit funktioniert. Während politische und gesellschaftliche Prozesse oft Jahre dauern, kann aus ehemaligen Gegnerinnen auf der Bahn eine gemeinsame Nationalmannschaft entstehen – aus Trennung wird eine Brücke.“ Mit diesen Worten eröffnete Thomas Giessing, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Heinsberg, das zweite Sparkassen-Gespräch in diesem Jahr. Er selbst erinnerte sich daran, wie er den Mauerfall 1989 „live vor dem Fernseher“ verfolgte – ein Moment, der für viele bis heute eine Zäsur darstellt.

Zwei starke Stimmen – ein gemeinsames Anliegen

Erstmals standen bei der Veranstaltungsreihe zwei Rednerinnen im Mittelpunkt: Olympiasiegerinnen Heike Henkel und Heike Drechsler. In einem offenen Gespräch mit Moderator Rainer Berger – „ein kluger Fragensteller“, wie Thomas Giessing ihn bezeichnet – ging es um 35 Jahre Deutsche Einheit, die Kraft des Sports und die Parallelen zur Gesellschaft.

Henkel und Drechsler – zwei Athletinnen, zwei Systeme, ein Weg – berichteten ein-drucksvoll von ihren persönlichen Erfahrungen zwischen Mauerfall, Spitzensport und gesellschaftlichem Wandel. Während Henkel in Köln überrascht und begeistert den Fall der Mauer mit Freunden erlebte, war Drechsler zu diesem Zeitpunkt frisch-gebackene Mutter und „hatte Angst, was kommt“. Beide blicken dankbar auf die Chancen zurück, die ihnen ein vereintes Deutschland eröffnet hat – wenngleich auch die Enttäuschungen und strukturellen Brüche der Nachwendezeit nicht verschwie-gen wurden.

Olympische Momente, politische Dimensionen

Barcelona 1992: Beide Frauen gewinnen Olympisches Gold – und erinnern sich kaum, sich dort begegnet zu sein. „Natürlich sind wir fair miteinander umgegangen, aber wir waren geprägt von Distanz“, berichtet Henkel. Die Erkenntnis: „Sportler ha-ben gleiche Ziele, Interessen, Enttäuschungen – das schweißt zusammen.“ Was vor-her trennte, verband nun – ein kraftvolles Bild für eine Einheit, die sich entwickeln musste und bis heute noch nicht abgeschlossen ist.

Sport als Vorbild für die Gesellschaft

„Die Demokratie muss erlernt und gelebt werden“, betonte Heike Henkel. Der Weg von der Diktatur in die Demokratie dauere genauso lange wie die Diktatur selbst – ein Zitat von Joachim Gauck, das vermuten lässt, wieviel Energie und Zeit der Weg kostet. Und auch Heike Drechsler mahnte: „Man hätte sich früher an einen Tisch set-zen und fragen sollen: Was können wir voneinander lernen?“

Trotz geltendem Kontaktverbot zwischen west- und ostdeutscher Nationalmann-schaft in den 1980er Jahren – durch internationale Wettkämpfe entstand Nähe. Der Aufbau eines gemeinsamen Teams, das Überwinden von Vorurteilen und strukturel-len Unterschieden – der Sport, so waren sich beide Rednerinnen einig, hat diese Hürde längst genommen.

Leistung, Resilienz und Motivation

Bewegend waren auch die Einblicke in sportliche Krisen: Seoul 1988 bedeutete für Henkel einen schmerzhaften Rückschlag. Sie galt als Medaillenhoffnung, scheiterte jedoch bereits in der Qualifikation. „Ich dachte, die Welt geht unter – aber nach einer Stunde Schlaf wusste ich: Jetzt beginnt etwas Neues.“ Für Drechsler war der Olym-pia-Boykott der Sowjetunion und damit der DDR 1984 ein tiefer Einschnitt, der sie bis heute begleitet.

Beide sprachen offen über Leistungsdruck, mentale Gesundheit und ihre Rolle als Vorbilder. Heute motivieren sie junge Menschen dazu, an sich zu glauben und mit Rückschlägen umzugehen. Henkel betonte: „Es muss nicht Olympisches Gold sein. Aber: Leistung zu erbringen macht Spaß – die aktuelle Reform der Bundesjugend-spiele ist da eher kontraproduktiv.“

Ein Blick in die Zukunft

Für die Gesellschaft wünschen sich beide mehr Offenheit und Dialog: „Man kann eine Geschichte hören oder zwei. Das macht den Unterschied“, sagte Drechsler. Henkel ergänzte: „Wenn wir weiter aufeinander zugehen und das Gespräch suchen, wird aus einem Nebeneinander ein Miteinander.“ Und vielleicht gibt es im Jahr 2050 kein Ossi und Wessi mehr, sondern – so der gemeinsame Wunsch – „ein starkes, buntes und tolerantes Deutschland.“

Denn: Was der Sport längst geschafft hat, muss unsere Gesellschaft noch errei-chen – eine wirkliche Einheit.

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