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Wohnungslosigkeit offen begegnen

Erkenntnisreiche Veranstaltung zum „Tag der Wohnungslosen“ in Aachen

„Wie kann man Wohnungslosigkeit beseitigen?“ Mit dieser Fragestellung hat der Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration der Stadt Aachen am Donnerstag, 11. September, dem bundesweiten Tag der Wohnungslosen, erstmalig zu einer öffentlichen Veranstaltung in der Citykirche St. Nikolaus eingeladen. Neben Vertretenden der Wohnungslosenhilfe und der Kommunalpolitik waren auch interessierte Bürger*innen und von Wohnungslosigkeit Betroffene vor Ort.

Den Ausgangspunkt der Veranstaltung bildete die Vorführung des Kurzfilms „Ciao Bella“, der das Thema Wohnungslosigkeit mit besonderem Fokus auf Frauen behandelt und in der Aachener Innenstadt spielt. Zur Entstehungsgeschichte des Films erklärte die Regisseurin Frau Lina Schmeink, dass die dargestellten Szenen vor allem auf Erlebnissen einer von Wohnungslosigkeit betroffenen Frau beruhen, mit der sie über eine längere Zeit Kontakt hielt. Die Regisseurin stellte sich die Frage, wie man als Einzelperson einem Menschen auf der Straße eigentlich wirklich weiterhelfen kann. Diese Frage bildete am Donnerstagabend die Grundlage für die nachfolgende Podiumsdiskussion.

Vulnerable und schutzlose Gruppe
Auf Basis der durch den Film gewonnen, mitunter beklemmenden Eindrücke ergab sich unter der Moderation von André Schnitker eine spannende Diskussion zwischen den Vertretungen der freien Wohnungslosenhilfe Mark Krznaric, Einrichtungsleiter im Café Plattform des Caritasverbands und Anja Esser, Sozialpädagogin und Koordinatorin im Wohnprojekt „Housing First“ des Vereins WABe, dem ehemals von Wohnungslosigkeit betroffenen Sozialaktivisten Dominik Bloh, Prof. Dr. phil. Markus Baum, Professor für Soziologie an der katholischen Hochschule in Aachen und Rolf Frankenberger, Leiter des Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration.

Die Frage, ob es wirklich vorkomme, dass wohnungslose Menschen, wie im Film dargestellt, angezündet würden, bestätigte Dominik Bloh als reales Szenario: „Du weißt da draußen nie, ob du den nächsten Tag erlebst.“ Auch Anja Esser betonte, dass entgegen dem öffentlichen Anschein, von wohnungslosen Menschen ginge viele Aggression aus, diese selbst als vulnerable und schutzlose Gruppe im öffentlichen Raum regelmäßig Gewalt ausgesetzt seien.

„Housing First“ als zukunftsweisendes Projekt
Doch wie kann diesen schutzlosen Menschen geholfen werden? Neben der Nennung der bestehenden Hilfsangebote der Träger, wie das Café Plattform oder die Frauenfachberatungsstelle, wurde auch das vor Kurzem auch in Aachen gestartete Projekt „Housing First“ thematisiert, das Betroffenen bedingungslos eine Wohnung zu Verfügung stellt. Prof. Dr. Baum kennzeichnete das Projekt als überaus wirksam, in Finnland sei Wohnungslosigkeit hierdurch nahezu abgestellt worden.

Dominik Bloh ist überzeugt: „Betroffene, deren tägliches Ziel darin besteht, ihre Grundbedürfnisse zu decken, sind nicht in der Lage, zugleich konsequent Ihre Rechte auf Unterbringung und Sozialleistungen über Antragsverfahren geltend zu machen.“ Deshalb sei das Projekt ein zukunftsweisender Weg, weil es nicht mit einer Forderung, sondern einem Angebot starte und die Voraussetzung schaffe, dass Betroffene ihr Leben ordnen können.

Strukturelles Problem der Wohnraumknappheit
Die Stadt Aachen und Träger wie Caritas und WABe halten eine Reihe hilfreicher Angebote für wohnungslose Menschen, machte Mark Krznaric deutlich. Aber Wohnungslosigkeit bleibe vor allem ein strukturelles Problem der Wohnraumknappheit in Aachen, die von der Stadt angegangen werden müsse.

Die Stadt ist mit neun Übergangswohneinrichtungen für Wohnungslose und dreißig Sozialpädagog*innen für die zurzeit etwa 450 untergebrachten Menschen bereits gut aufgestellt. Doch die Chance für Betroffene nicht nur eine Unterbringung, sondern eine Wohnung zu finden, sei auf dem aktuellen Wohnungsmarkt einerseits und der instabilen Lebensverhältnisse der Wohnungslosen andererseits leider verschwindend gering, sagte Rolf Frankenberger und warb dafür, dass Vermieter*innen in Aachen diesen Menschen eine Chance geben und Ihnen trotz möglicher Vorbehalte als potenzielle Mieter*innen offen gegenübertreten.

Offener Austausch mit dem Publikum
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion erhielten auch die Besucher*innen Gelegenheit, Fragen und Anregungen an das Podium zu stellen. Insgesamt wurde das Thema in der Veranstaltung strategisch betrachtet, konnte gleichzeitig aber immer den Bezug zur konkreten Lebenswelt der Betroffenen herstellen, was dem Publikum letztlich einen Perspektivwechsel ermöglichte und zum Nachdenken anregte.

Zur Ausgangsfrage, wie man als Einzelperson Menschen helfen könne, die auf der Straße leben, sagte Anja Esser: „Wertschätzend ist, individuell auf die Person zuzugehen und sie selbst zu fragen, was sie gerade brauchen.“ Dominik Bloh wünscht sich, dass Menschen häufiger den Mut entwickeln, Antworten auf die Fragen, die sie sich beim Antreffen der Personen auf der Straße stellen, zu finden, in dem sie mit Empathie auf sie zugehen und als Mitbürger*innen ihrer Stadt begreifen.

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