Nein, ein Patentrezept habe sie nicht, lacht Dr. phil. Selma Haupt, Referentin des Impulsvortrags beim Netzwerktreffen der Jugendberufsagentur Aachen. „Wie kann Berufsberatung mit schwer erreichbaren Jugendlichen gelingen?“, so die zentrale Frage bei der diesjährigen Veranstaltung, die die Abteilung Jugendförderung und Jugendsozialarbeit des städtischen Fachbereichs Jugend und Schule in dieser Woche ausgerichtet hat. Ein erster, guter Ansatz: „Die Jugendlichen ernst nehmen, auf sie eingehen. Sich selbst aber auch hinterfragen: Wo machen wir es den Jugendlichen vielleicht schwer? Oder welche zusätzlichen, persönlichen Herausforderungen könnten die Jugendlichen haben?“, rät Haupt.
Ganzheitliche, unkomplizierte und vernetzte Unterstützung aus einer Hand
Die Jugendberufsagentur ist eine regionale Kooperation aus Expert*innen der Agentur für Arbeit Aachen-Düren, dem Jobcenter der StädteRegion Aachen und dem Fachbereich Jugend und Schule, in dem auch die städtische Jugendberufshilfe angesiedelt ist. Ziel ist es, jungen Menschen, oft geprägt von sozialen, familiären oder persönlichen Herausforderungen, am Übergang von der Schule in den Beruf eine ganzheitliche, unkomplizierte und vernetzte Unterstützung aus einer Hand anzubieten. Eigentlich ist ein solches Netzwerk in ganz Deutschland in allen Kommunen vorgesehen. „Aber die Ausprägung der Zusammenarbeit ist entscheidend und dass sich alle Akteure kennen“, ist Astrid Brokmann, Agentur für Arbeit Aachen-Düren, sicher. Und das klappt in Aachen ganz hervorragend – obwohl es kein zusätzliches Personal für die Aufgaben gibt. Dies kann Referentin Haupt aus ihren ersten Eindrücken nur bestätigen: „So ein Engagement wir hier heute, erlebe ich selten“, ist sie begeistert von den Ideen, Wünschen und der Begeisterung aller Teilnehmenden. „In der Unterschiedlichkeit der drei Institutionen liegt auch die Stärke, für die jungen Menschen eine passgenaue Beratung anzubieten“, ist Monika Krüger, Abteilungsleiterin der Jugendförderung und Jugendsozialarbeit, überzeugt.
Intensive Beziehungsarbeit als Erfolgsfaktor
Dabei sind die Aufgaben der drei Mitglieder im Netzwerk durchaus unterschiedlich. „Wir erfüllen ja einen Auftrag für den Arbeitsmarkt“, so Bernd Schwarze vom Jobcenter der StädteRegion Aachen und hat dabei vor allem Jobcenter und Arbeitsagentur im Blick. Doch er fügt schnell hinzu: „Aber wir haben natürlich auch einen gesellschaftlichen Auftrag.“ Es ginge darum, die jungen Menschen soweit zu stärken und zu begleiten, damit sie zukünftig ohne Bürgergeld oder andere Transferleistungen ein „selbstbestimmtes Leben führen können“. „Die Form der Beratungen hat sich verändert. Heute suchen wir die Jugendlichen viel stärker auf“, erklärt Schwarze: „Daher rückt der Zwang, mit uns zusammen zu arbeiten, stärker in den Hintergrund. Und ja, es gibt eine Gruppe, die für uns schwer zu erreichen ist.“ Hier sei vor allem die Beziehungsaufnahme und -pflege wichtig. Kerstin Dudda von der Jugendberufshilfe der Stadt Aachen ergänzt: „Und es geht um Selbstwirksamkeit. Wenn Jugendliche erleben, dass sie bestimmte Dinge können, wertet das deren Selbstwertgefühl auf.“ Dies sei zum Beispiel in Praktika oder in der Jugendberufshilfe sehr gut möglich, weil sich Jugendliche dort in unterschiedlichen – auch ganz praktischen – Projekten ausprobieren können. Auch sie betont die Beziehungsarbeit mit den jungen Menschen sei wichtig, Vertrauen aufbauen – aber auch eine realistische Einschätzung von Wunsch und Wirklichkeit vermitteln.
Astrid Brokmann von der Agentur für Arbeit beschreibt einen typischen Verlauf: „Zunächst beginnen wir mit einer Berufsorientierung im Klassenverband. Danach gibt es dann in der Regel individuelle Sprechstunden, in die die Jugendlichen kommen können.“ Aber selbstverständlich gäbe es auch einen engen Austausch mit den Schulen, den Lehrkräften, die dort für die Berufsorientierung zuständig sind, und der jeweiligen Schulsozialarbeit, die ihre Schüler*innen am besten einschätzen können und so auch Jugendliche identifizieren können, bei denen die Gefahr droht, dass sie ohne Ausbildung in der Arbeitslosigkeit landen. „Das passiert spätestens in der Klasse 10.“ Solche Fälle landen dann auch bei allen Beteiligten des Netzwerks, um eine gemeinsame Strategie für Jede und Jeden zu entwickeln: Wie gehen wir vor? Was passt zu wem? Zunächst theoretisch, wenn der oder die Jugendliche die Zustimmung gibt und die Expert*innen vom Datenschutz entbindet, auch ganz konkret: „Wenn eine Jugendliche, ein Jugendlicher ‚mitspielt‘, dann wird es meistens auch eine Erfolgsgeschichte“, weiß Brokmann.
Ideen und Wünsche der Expert*innen
Eine Erfolgsgeschichte ist auch die Jugendberufsagentur in Aachen. Einige Ideen und Wünsche, die die rund 40 Expert*innen in der Nadelfabrik am Aachener Reichsweg gemeinsam entwickelten, fasst Referentin Haupt zusammen: „Eine größere Wertschätzung für die Mitarbeiter*innen in der Vermittlung für ihre herausfordernde Arbeit. Und es ist wichtig, die Fachkräfte in ihren Ressourcen zu fördern und zu unterstützen, ihnen zum Beispiel die Möglichkeit einzuräumen, längere Gespräche zu führen. Oder mehr verfügbare Praktikumsplätze, um den jungen Menschen schneller positive Erfahrungen vermitteln zu können.“ Und auch eine Art „Belohnungssystem“ für die jungen Menschen, die engagiert an ihrer Zukunft mitarbeiten, wäre denkbar. Wie das aussehen kann? „Ich darf noch nicht zu viel verraten, aber wir sprechen gerade mit Alemannia Aachen über gemeinsame Aktionen für die Jugendlichen“, macht Astrid Brokmann neugierig.