Die Energiewende gerät zunehmend zum Risiko für die regionale Wirtschaft: Immer mehr Unternehmen fühlen sich überfordert, Investitionen werden gestoppt, Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Das zeigt das aktuelle Energiewende-Barometer 2025 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an dem sich mehr als 3.600 Unternehmen beteiligt haben – davon 727 aus Nordrhein-Westfalen. Zwar haben sich weiterhin 88,5 Prozent der befragten Unternehmen auf die Fahne geschrieben, in Zukunft klimaneutral zu wirtschaften, doch der Weg dahin ist voller Herausforderungen.
„Das Ergebnis ist alarmierend. Nur jedes fünfte Unternehmen in NRW sieht positive Auswirkungen der Energiewende auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen. In der Industrie sind es sogar nur 13,1 Prozent der befragten Betriebe. 36,9 Prozent aller Unternehmen und 58,4 Prozent der Industrieunternehmen sehen eine zum Teil deutliche Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit. 40 Prozent der Unternehmen beziehungsweise 23,8 Prozent der Industrieunternehmen bewerten die Auswirkungen der Energiewende als „neutral“. Die Einschätzung der nordrhein-westfälischen Unternehmerinnen und Unternehmer fällt in der aktuellen DIHK-Umfrage aufgrund der energieintensiven Wirtschaftsstruktur noch pessimistischer aus als die bundesweiten Werte.
Die Investitionen von Unternehmen gelten als Frühwarnsystem für die wirtschaftliche Entwicklung eines Standorts. Fast ein Drittel der Befragten (28,8 Prozent) stellt Investitionen in zentrale Geschäftsprozesse zurück. Besonders dramatisch ist die Lage in NRW: 42 Prozent der produzierenden Unternehmen verschieben Investitionen, 29,3 Prozent stoppen Ausgaben für Klimaschutzprojekte. „Das ist nicht nur ein Rückschritt in der Transformation – es ist ein strukturelles Risiko für Arbeitsplätze und Innovationskraft. Gerade in einer Region, die wie das Rheinische Revier von einer energieintensiven Industrie geprägt ist“, betont Bayer.
Viele Probleme der Energiewende sind hausgemacht. Die Unzufriedenheit mit der überbordenden Bürokratie erreicht mit 68,5 Prozent einen neuen Höchststand. 60,2 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer kritisieren die fehlende Planbarkeit der politischen Rahmenbedingungen der Energiewende. 48,2 Prozent der Befragten aus Nordrhein-Westfalen bemängeln zudem langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die hohen Energiepreise (30 Prozent), Finanzierungsmöglichkeiten (17,7 Prozent) und fehlende Fachkräfte (17,3 Prozent) sind weitere Aspekte, die die Transformation erschweren.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung zugesagt, die Stromsteuer für alle Verbraucher auf das europäische Mindestmaß zu senken. Die Entlastung ist bis heute ausgeblieben, obwohl sich 84,2 Prozent aller Unternehmen klar für eine Senkung der Strompreise aussprechen. Diese würde zudem Investitionen in klimafreundliche Anlagen und Technologien vom Elektroauto bis zur Wärmepumpe attraktiver machen. Strom ist für 45,8 Prozent der Unternehmen im vergangenen Jahr teurer geworden, was die Standortnachteile verschärft.
„Es ist höchste Zeit, einen Plan B für das Gelingen der Energiewende zu entwickeln“, macht Bayer deutlich. „Eine erfolgreiche Energiewende ist wichtig – deshalb müssen jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen werden, die den Unternehmen die Möglichkeit geben, auch in Zukunft am Standort Nordrhein-Westfalen zu investieren. Das sichert Arbeitsplätze und unseren Wohlstand.“ Zudem gelte es, hausgemachte Probleme zu lösen. Bayer betont: „Von der Politik erwarten auch die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Städteregion Aachen und in den Kreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg klare, verlässliche Rahmenbedingungen und einen deutlichen Abbau von Bürokratie, die zum kostenintensiven Treiber der Energiewende geworden ist. Wir brauchen eine Nachjustierung, damit die Energiewende vom Risikofaktor zum Entwicklungsfaktor für die Unternehmen wird.“