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Aachen
Mi. 12 Mrz. 2025
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Jenseits des Sichtbaren: Meisterwerke in Aachen

Das Aachener Suermondt-Ludwig-Museum widmet vom 9. März bis 15. Juni 2025 Michael Triegel (*1968, Erfurt) mit rund 80 Werken eine große Überblicksausstellung. Mit seiner altmeisterlichen Maltechnik und der Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte sowie deren religiösen, mythologischen und spirituellen Themen verbindet der zeitgenössische Künstler aus Leipzig existenzielle Fragen der Gegenwart nach Sinn, Glaube und Identität. Für das Suermondt-Ludwig-Museum bietet die Ausstellung eine besondere Gelegenheit: Denn durch die Nähe der Wechselausstellungshalle zu den Sammlungsräumen im Erdgeschoss bieten Triegels Werke den Besucher*innen eine neue Perspektive, die religiös geprägten Werke des Mittelalters im Aachener Museum zu entdecken. „Die Ausstellung passt hervorragend zum Haus“, unterstreicht Kulturdezernent Heinrich Brötz, „denn hier wurden und werden immer wieder Werke vergangener Epochen erfolgreich in einen Dialog mit der Kunst der Gegenwart gebracht.“

Tradition und Provokation

Michael Triegel, der im unmittelbaren Umfeld der Neuen Leipziger Schule ausgebildet wurde, fand seine Vorbilder in der italienischen Renaissance und dem Manierismus, dem spanischen Barock sowie den flämischen Meistern des ausgehenden Mittelalters. Seine Werke stehen zwischen Tradition und Moderne: Mit selbstbewusster Souveränität adaptiert der Künstler tradierte Bildformeln und Sujets, deren Zusammenstellung gezielt irritiert und Fragen aufwirft, deren Beantwortung er den Betrachter*innen überlässt. Direktor Till-Holger Borchert erläutert dazu: „Idealerweise möchten wir eine gegenseitige Befruchtung verschiedener Seherfahrungen generieren. Einerseits wollen wir ein Publikum anziehen, das sich für zeitgenössische Positionen in der Kunst interessiert und sich nun ebenso mit mittelalterlicher Kunst konfrontiert sieht. Andererseits möchten wir Menschen, die mit der gegensätzlichen Erwartungshaltung ins Museum kommen, mit der Kunst Michael Triegels überraschen.“ Tief in der Kunstgeschichte verwurzelt, regen Triegels Werke dazu an, über die Rolle traditioneller Kunst und religiöser Symbolik in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft nachzudenken. Gleichzeitig sind sie zukunftsweisend in ihrer Kombination aus Elementen christlicher Ikonografie, antiker Mythologie und moderner Philosophie. „Ich sehe die Kunst vergangener Jahrhunderte nicht aus einer historischen Distanz“, so Michael Triegel. „Das ist für mich immer Gegenwart.“ Ein zentraler Aspekt seiner Arbeit ist die Neuinterpretation traditioneller Darstellungskonzepte in überraschenden und oft provokanten Bildfindungen. So irritiert etwa die Nacktheit Mariens in einer Verkündigungsszene ebenso wie die detailgetreue Abbildung eines Tierkadavers als „Lamm Gottes“. Die Verwendung von Gesichtszügen seiner eigenen Familie für heilige Figuren schafft eine verstörende Nähe zur Lebensrealität der Betrachtenden. Die ikonografischen Brechungen klassischer Erzählmuster fordern die Betrachter*innen heraus, die Beziehung zwischen sichtbarer Form und verborgenen Inhalten zu überdenken und vermeintlich leicht erfassbare Motive bewusst zu hinterfragen. Triegel beschreibt seine künstlerische Vision als einen Versuch, durch das Sichtbare das Unsichtbare erfahrbar zu machen. Besonders deutlich wird dies in seinen Stillleben, deren inhaltliche Bedeutung und symbolischer Gehalt über die sichtbaren Gegenstände hinaus geht. „Die Bilder sind ein großes Angebot für alle – mit oder ohne kunsthistorische Vorerfahrungen“, ist Kuratorin Wibke Birth überzeugt. „Ich denke, dass es die Ausstellung schafft, die eigene Wahrnehmung vermeintlich bekannter Themen zu aktualisieren und dazu einlädt, sich neu damit auseinanderzusetzen.“

Berühmte Werke

Internationale Beachtung erlangte Triegel 2010 mit dem Auftrag des Bistums Regensburg, ein Porträt von Papst Benedikt XVI. zu malen sowie zuletzt mit der Vollendung eines Cranach-Altares im Naumburger Domchor. Neben diesem Werk präsentiert die Ausstellung auch Triegels Entwürfe für Altargemälde, die für die katholische Kirchengemeinde in Dettelbach geschaffen wurden.

Michael Triegel mit Kuratorin Wibke Birth

Vielschichtiges Können

Triegels Malerei zeichnet sich durch eine lasierende, altmeisterliche Technik und einen vielschichtigen Bildaufbau aus, die seinen Werken eine beeindruckende Tiefe und Symbolkraft verleihen. Neben großformatigen religiösen Gemälden umfasst sein Œuvre auch Stillleben, Porträts sowie Landschaftsaquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken, die das künstlerische Spektrum des Leipzigers eindrucksvoll ergänzen.

Biografische Entwicklung

Michael Triegel, der heute in Leipzig lebt und arbeitet, wurde 1968 in Erfurt geboren und wuchs in der DDR weitgehend ohne religiöse Prägung auf. Von 1990 bis 1995 studierte er Malerei an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Arno Rink und Ulrich Hachulla. Prägende Erfahrungen sammelte er während seiner Reisen in die Schweiz und nach Italien. Ein besonderes künstlerisches Erweckungserlebnis hatte er nach eigenen Angaben in der römischen Kirche Il Gesù. Von 1995 bis 1997 absolvierte Triegel ein Aufbaustudium bei Ulrich Hachulla als sächsischer Landesstipendiat und schloss 1998 mit dem Meisterschülerdiplom ab. Er zählt zu den erfolgreichsten Künstlern der sogenannten Neuen Leipziger Schule, deren Vertreter*innen formal äußerst vielfältig arbeiten. 2014 ließ sich Triegel in der Dresdner Hofkirche taufen. Die aktuelle Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und der Galerie Schwind. Sie wurde durch großzügige Leihgaben des Künstlers selbst, der Galerie Schwind sowie von Museen und Privatsammler*innen aus ganz Deutschland ermöglicht – ihnen gilt unser besonderer Dank.

Zur Ausstellung erscheint ein begleitender Katalog im Hirmer Verlag.

Infos unter www.suermondt-ludwig-museum.de.

Fotos: Susanne Rütten-Nilges

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