Vor einigen Jahren thematisierte das Suermondt-Ludwig-Museum mit der vielbeachteten Ausstellung „Schattengalerie“ die erheblichen Kriegsverluste der Aachener Sammlung, wobei einige Werke noch stets in den inzwischen von Russland annektierten Teilen der Ukraine bewahrt werden. Jetzt bemüht sich das Museum darum, die Herkunft von Gemälden und Skulpturen der eigenen Sammlung systematisch auf mögliche NS-verfolgungsbedingte Erwerbungen und Schenkungen zu untersuchen, um gegebenenfalls eine Einigung mit den rechtmäßigen Eigentümer*innen erreichen zu können und historisches Unrecht anzuerkennen. Diese Initiative fällt mit der aktuellen Novellierung der bundesdeutschen Restitutionspraxis zusammen, die an Stelle einer beratenden Kommission nun eine für alle Beteiligten verbindliche Schiedsgerichtsbarkeit vorsieht. Grund genug, um sich in einer öffentlichen Vortragsreihe am Suermondt-Ludwig-Museum mit der komplexen Problematik von Raubkunst zu beschäftigen und zugleich auch neue Einsichten in die Geschichte des eigenen Hauses zu erhalten.
Do 28.11., 19.00 Uhr
Warum es sich lohnt, sich mit der Vergangenheit (von Kunstwerken) zu beschäftigen
Vortrag von Dr. Jasmin Hartmann, Bonn
Moderation: Till-Holger Borchert, Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums
Ein Kunstwerk wird kurz vor der Auktion aus einer Versteigerung genommen, ein Museum wird aufgefordert, ein Gemälde zurückzugeben, eine Privatperson möchte ein Kunstwerk vererben, das in der Familie mit einer schwierigen Erinnerung verknüpft ist.
Was die Vorkommnisse eint, ist der Umstand, dass die Herkunft der Kunstwerke unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Der Vortrag lädt dazu ein, sich Vergangenes der 1930er und 1940er Jahre zu vergegenwärtigen und zugleich die Chancen und Perspektiven daraus zu erkennen.
Die Koordinationsstelle für Provenienzforschung in NRW widmet sich Geschichten wie diesen. Sie ist zentrale Ansprechpartnerin und praktischer Knotenpunkt rund um das Thema der Herkunftsforschung.
Dr. Jasmin Hartmann ist Kunsthistorikerin und seit 2022 Leiterin der Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen. Sie unterstützt mit Ihrem Team mehr als 1000 Museen, Bibliotheken und Archive in allen Fragen zur Herkunftsforschung. Von 2016 bis 2021 baute sie die seinerzeit neu gegründete Stabsstelle Provenienzforschung der Landeshauptstadt Düsseldorf auf – zuvor war sie für diverse öffentliche Institutionen und Projekte im Bereich Provenienzforschung tätig. Als Wissenschaftlerin, Lehrende und Mentorin in der Aus- und Weiterbildung ist sie über viele Jahre hinweg mit den Bedürfnissen unterschiedlicher Sparten und Träger vertraut und setzt sich für eine systematische, effiziente und nachhaltige Infrastruktur in der Provenienz-Forschung ein.
Do 12.12., 19.00 Uhr
Kunstschutz und Kunstkäufe im Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg – Das Beispiel des Aachener Suermondt-Museums und seines Direktors Felix Kuetgens
Vortrag von Dr. Elisabeth Furtwängler, Berlin
Moderation: Dr. René Rohrkamp, Leiter des Stadtarchivs Aachen
Von 1923 bis 1955 lenkte Felix Kuetgens (1890 – 1976) die Geschicke des Suermondt-Museums. Während seiner Amtszeit kam eine Vielzahl von Kunstwerken in die Sammlungen des Hauses, teils in Form von Schenkungen, teils durch Ankäufe – letztere zumeist auf dem regionalen und lokalen Kunstmarkt. Während des Krieges als Vertreter des militärischen Kunstschutzes im besetzten Frankreich stationiert, war Kuetgens dort unter anderem für die Kontrolle des Kunstmarktes verantwortlich, um eine übermäßige Kulturgutausfuhr zu verhindern. Nichtsdestotrotz nutzte er seine Position in Paris, um auch dort für die Aachener Sammlungen einzukaufen und seine Kollegen von anderen deutschen Museen bei der Abwicklung ihrer Erwerbungen zu unterstützen. Es bleibt zu klären, inwieweit er zudem in die Machenschaften der von den Alliierten so genannten „Rhinelandgang“ um den nationalsozialistischen Kulturdezernenten Hans-Joachim Apffelstaedt involviert war, die von ihr als „rheinisch“ erachtetes Kulturgut in den besetzten Westgebieten ausfindig machen und zurückfordern wollte. Im Vortrag werden die ambivalenten (Ankaufs-)Aktivitäten des Aachener Museumsdirektors genauer beleuchtet.
Dr. Elisabeth Furtwängler ist als freiberufliche Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin für verschiedene Museen und Institutionen tätig, darunter die Stiftung Stadtmuseum Berlin und das Museum Folkwang Essen. Nach Stationen im Kunsthandel war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Leipzig tätig und promovierte zu künstlerischer Druckgrafik im Paris der Nachkriegszeit. Als Co-Leiterin des deutsch-französischen Kooperationsprojekts „Repertorium der Akteure auf dem französischen Kunstmarkt während der deutschen Besatzung, 1940-1945“ (TU Berlin/INHA Paris), untersuchte sie vorrangig die Ankaufsaktivitäten deutscher Museen im besetzten Frankreich und gab zusammen mit Mattes Lammert den Sammelband „Kunst und Profit. Museen und der französische Kunstmarkt im Zweiten Weltkrieg“ heraus.
Do 16.01.2025, 19.00 Uhr
Provenienzforschung in der Schweiz. Das Kunstmuseum Basel als Beispiel
Vortrag von Dr. Tessa Friederike Rosebrock, Basel
Moderation: Prof. Dr. Alexander Markschies, RWTH Aachen
Es war die schweizerische Delegation, die bei der Washington Conference on Holocaust-Era Assets 1998 den Erlass eines Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen aus dem Zweiten Weltkrieg verhindert hat. Als nicht in Kampfhandlungen verwickelter, neutraler Staat bestand das Land auf anderen, flexibleren Vorgaben für die Auseinandersetzung mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem und verlorenem Kulturgut. So wurden die Washington Principles als Soft Law, als moralische Selbstverpflichtung, verabschiedet. In aller Konsequenz folgte für die Schweiz auch kein nationales Regelwerk zum Vorgehen innerhalb der kulturguthaltenden Einrichtungen wie es etwa die deutsche „Handreichung“ darstellt. Die föderale Hoheit der Kantone respektierend, begann das Schweizer Bundesamt für Kultur ab 2016 zwar Fördermittel für Provenienzforschung zu stellen und band ihre Ausschüttung an gewisse Vorgaben, wie aber die Museen im Falle von Restitutionsbegehren oder ermitteltem „Fluchtgut“ in der Sammlung verfahren, liegt bis heute in der Verantwortung der einzelnen Häuser. Der Vortrag soll zeigen, wie im Kunstmuseum Basel erfolgreiche Provenienzforschung gelingt.
Dr. Tessa Friederike Rosebrock hat Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literatur in München, Paris und Berlin studiert. Museale Praxiserfahrung sammelte sie an der Hamburger Kunsthalle und an der Neuen Nationalgalerie Berlin; später mit einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt auch an den städtischen Museen Straßburg. Ihre Dissertation zur Museums- und Ausstellungspolitik in Deutschland und Frankreich im „Dritten Reich“ und in der unmittelbaren Nachkriegszeit am Beispiel des Kunsthistorikers Kurt Martin (1899 – 1975) wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2017 mit dem Preis des „Salon du livre et de la revue d’art du Festival de l’histoire de l’art à Fontainebleau“, der die Übersetzung des Buchs ins Französische bewirkte. Von 2009 bis 2020 arbeitete sie als Provenienzforscherin und Kuratorin an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Seit 2021 leitet sie die Abteilung Provenienzforschung am Kunstmuseum Basel. Sie hat mehrere Ausstellungen zu Themen der Provenienzforschung kuratiert und ist Autorin zahlreicher Publikationen.